„In der Krise geben alle ihr Bestes!“

Der Landesschülerrat (LSR) und Landeselternrat (LER) sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern (GEW M-V) haben in Onlineumfragen rund 19000 Meinungen von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften zu ihrer Situation in der Corona-Krise erfragt.


Herausgekommen ist ein Bild, das zeigt, wie groß und auch vielfältig die Herausforderungen in aktuellen Situation für alle Beteiligten sind: „Ohne jegliche Vorbereitung und zum großen Teil ohne die Möglichkeit, sich voneinander zu verabschieden, standen die Kinder und Jugendlichen, deren Eltern und die Lehrkräfte, die oftmals selbst auch als Eltern gefordert waren und sind, von einem Tag zum anderen vor der Aufgabe ein selbst organisiertes Lernsystem aufzubauen. Der gemeinsame Eindruck aus unseren Befragungen ist, dass hier alle ihr Bestes geben“, erklären die Interessenvertreter, Theresia Crone für den LSR, Kay Czerwinski für den LER sowie Maik Walm für die GEW M-V.
Etwa 151.000 Schülerinnen und Schüler lernen an rund 560 allgemeinbildenden Schulen im Land, ungefähr 34.000 Jugendliche und junge Erwachsene besuchen eine Berufsschule (Quelle: Statistik M-V Prognose 2020). Sie alle leben im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern mit sehr unterschiedlichen Lernbedingungen, was etwa den Zugang zum Internet angeht. Sie leben aber auch unter ganz verschiedenen familiären Voraussetzungen. Rund 27 Prozent aller Kinder im Land gelten nach Angaben des Deutschen Kinderhilfswerks (Zahlen 2019) als arm. Damit leben über 30.000 Kinder im Land in prekären Verhältnissen. Schülerinnen und Schüler leiden vor allem in der jetzigen Situation mehr als sonst darunter. Viele Eltern können die notwendige Infrastruktur für digitales Lernen allein schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht zur Verfügung stellen.
Die Situation der Schülerinnen und Schüler erweist sich als sehr unterschiedlich und hängt stark von den individuellen, äußeren Umständen ab. Dem Landesschülerrat sind als Interessenvertretung der Schülerinnen und Schüler die psychische Belastung und die Lernsituation besonders wichtig. “Wenn Schulen und Bibliotheken geschlossen haben, dann entscheidet die soziale Herkunft über die Lernbedingungen. Schülerinnen müssen Geschwister betreuen, den Eltern helfen oder in Einraumwohnungen lernen. Die Vergleichbarkeit der Bildung ist in dem Moment verloren gegangen, als die digitale Infrastruktur Voraussetzung zum Lernen wurde. Deshalb sollte über eine Alternative zu Prüfungen nachgedacht werden”, so Theresia Crone vom Landesschülerrat. Unsere Umfrage mit über 7.000 Schülerinnen und Schülern zeigt, dass sich die äußeren Umstände stark auf das Lernen auswirken. Weiter konnte festgestellt werden, dass manchen Schülerinnen und Schülern die technischen Voraussetzungen für den digitalen Unterricht fehlen. Auch die Kompetenz, das eigenständige Lernen zu organisieren, fehlt vielen Schülerinnen und Schülern. Besonders die angehenden Prüflinge geben an, unter einer großen psychischen Belastung zu stehen. Zusätzlich fühlen sich diese Schülerinnen und Schüler nicht gut auf die Prüfungen vorbereitet, was auf fehlende Vorgespräche und prüfungsvorbereitenden Unterricht zurückzuführen ist. Die vom LSR und LER initiierte Umfrage zur Situation von Schülern, Lehrkräften und Eltern ist ein voller Erfolg. Die insgesamt mehr als 18.000 Teilnehmerinnen innerhalb einer Woche zeigen, welche große Resonanz dieses Thema in der gegenwärtigen Situation innerhalb unserer Gesellschaft hat. „Ich möchte mich vor allem beim Landesschülerrat für die super Umsetzung der Umfrage bedanken, im Besonderen, weil die Schülerinnen und Schüler das alles ehrenamtlich neben ihrem Stress in der jetzigen Situation gemeistert haben!“ sagt Kay Czerwinski, Vorsitzender des LER.
„Gleichzeitig möchte ich im Namen aller Eltern meinen großen Respekt, Anerkennung und Dank allen Lehrerinnen und Lehrern im Land aussprechen, da sie in dieser so ungewöhnlichen Situation, weit über das normale Maß hinaus, teils mit unglaublichem persönlichen Einsatz versucht haben, unsere Kinder bestmöglich zu begleiten.“ „Trotz unterschiedlichster Voraussetzungen im Land haben die meisten Schulen in kürzester Zeit eine funktionierende Aufgabenverteilung, ob digital oder analog, auch mit Hilfe vieler engagierter Eltern, eingerichtet“, konkretisiert Kay Czerwinski.
An der gemeinsamen Umfrage haben sich 9.500 Eltern aus allen Schulstufen und Kreisen des Landes beteiligt. Besonders positiv wurden mit großer Mehrheit die Kommunikation und Erreichbarkeit der Lehrer eingeschätzt. „Das unterstreicht ganz klar meinen ausgesprochenen Dank!“ bekräftig Kay Czerwinski.
Die Belastung mit Lehrstoff, die Kontrolle der Aufgaben und die außergewöhnliche Situation, die Kinder zu Hause zu unterrichten, wurde von vielen Eltern in unterschiedlichem Maße kritisch eingeschätzt. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden waren mit dem Niveau der gestellten Aufgaben zufrieden bis sehr zufrieden, aber gleichzeitig erklärte eine große Mehrheit, dass sie Angst haben, dass die Bildung unter dieser Lehrsituation leidet und sie persönlich nicht mit den Schulschließungen klar kommen. Die Mehrheit der Rückmeldungen macht auch deutlich, dass sich Eltern in dieser aktuellen Situation überfordert fühlen.
Das Vorgehen der Politik in der aktuellen Situation, in Bezug auf Schule, wurde mehrheitlich positiv von den Eltern bewertet. „Diese Pandemie stellt alle an Schule Beteiligten vor ungeahnte Herausforderungen. Keiner von uns, ob Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler oder Verantwortliche in der Politik haben dafür eine Blaupause in der Schublade liegen. Viele Entscheidungen müssen auf Sicht getroffen werden“, sagt Elternvertreter Kay Czerwinski,
„Unsere Bildungsministerin Bettina Martin und ihre Team haben für mich einen super Job gemacht. Insbesondere die klaren Vorgaben der Bildungsministerin und deren Einhaltung, waren für uns alle sehr wichtig. Dafür vielen Dank!“
Die Erkenntnisse aus der Befragung der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern werden auch durch die Ergebnisse aus der Onlineumfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern (GEW M-V) gestützt. „Rund 1000 Rückmeldungen haben wir auf unsere Umfrage erhalten. Die gute Nachricht ist, dass wir von den Lehrkräften überwiegend den Eindruck erhalten haben: Wir sind uns bewusst, dass bereits bestehende Ungleichheiten in den Familien sich jetzt besonders stark auswirken und wir kümmern uns darum, dass niemand verloren geht. Auch wenn das deutlich mehr Arbeit bedeutet als unter schulischen Bedingungen“, freut sich der GEW-Landesvorsitzende Maik Walm und kommt damit gleich auf das nächste Thema zu sprechen: „Gerade zu Beginn haben wir oft gehört, dass Lehrkräfte jetzt ja bezahlt zusätzliche Ferien genießen würden. Das ist mitnichten der Fall.
Unsere Befragung macht deutlich, dass der Aufwand eine Klasse digital zu beschulen unter den gegebenen Umständen dem des sonst üblichen Arbeitsalltags in nichts nachsteht, oft sogar deutlich größer ist“, erklärt der Gewerkschafter. So sei es eben ein Unterschied, wenn man Aufgaben, die sonst einer ganzen Klasse gleichzeitig erklärt werden, nun einzeln kommuniziert. Der Austausch erfolgt am häufigsten per Mail, Telefon oder über Messengerdienste: „Hier muss man klar sagen, dass die Schulen und Lehrkräfte in der Mehrheit bisher technisch, datenschutzrechtlich und inhaltlich nicht angemessen darauf vorbereitet sind, in dieser Art und Weise zu arbeiten und zu kommunizieren. Gleichwohl nehmen wir das Engagement des Bildungsministeriums wahr, hier zeitnah funktionierende Lösungen bereit zu stellen. Dafür vielen Dank.“ Im Konkreten hat sich gezeigt: „Ein Teil der Lehrkräfte verfügt z.B. über keine dienstliche E-Mail-Adresse. Schnell eingerichtete Adressen haben oft zu wenig Speicherkapazität, sodass viele Lehrkräfte darauf zurückgreifen, ihre privaten Kontaktdaten weiterzugeben. Das spricht aus unserer Sicht für das große Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, zeigt aber auch, dass sie sich selbst kaum mehr abgrenzen können. Viele berichten davon, dass sie nun ständig verfügbar sind – und auch sein müssen – da auch die unterstützenden Eltern oft zu anderen als zu den üblichen Arbeitszeiten erreichbar sind. Die Gefahr einer Überlastung der Lehrkräfte ist groß!“, sagt Maik Walm. Und obwohl sich ein Bild von einem überwiegend positiven Umgang mit den Gegebenheiten zeichnet, gab es auch andere Stimmen, die von unkoordiniertem Einzelkämpfertum und fehlenden Absprachen untereinander berichteten, die sich mehr Führung, mehr Verständnis von der Schulleitung und füreinander sowie mehr Mitsprachemöglichkeiten gewünscht hätten.
Viele Lehrkräfte gehören aufgrund ihres Alters (Rund 15 Prozent der Lehrkräfte an den allgemeinbildenden Schulen, an den beruflichen Schulen etwas mehr, sind über 60 Jahre alt. Quelle: Stat. Landesamt) und von Grunderkrankungen zur Risikogruppe für einen schweren Verlauf von Covid-19. Auch ihr familiäres Umfeld ist vor Umbrüchen deshalb nicht sicher. Und natürlich sind auch viele Lehrkräfte selbst Eltern und hatten dadurch eine enorme Doppelbelastung zu meistern. „Wir machen uns Sorgen, was das mit unseren Kolleginnen und Kollegen macht“, führt Maik Walm aus. Noch ist unklar wie sich die Situation weiter entwickeln wird und über welchen Zeitraum hinweg Schule nicht in der üblichen Weise funktioniert. „Der Gesundheitsschutz aller an Schule Beteiligten hat Vorrang. Wir sollten aber auch dringend die Zeit danach in den Blick nehmen. Wir sind sicher, dass wir aus dieser Krise für die Frage, wie Schule in unserem Land funktioniert – oder auch nicht – viel lernen können. Diese Chance müssen wir gemeinsam nutzen!“

Gemeinsame Pressemitteilung des Landesschülerrates, Landeselternrates und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern

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